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Berlins Untergrund lebt weiter – U-Bahn-Linie fährt durch Trümmerlandschaft, 1945.H
Im Frühjahr 1945 liegt Berlin in Trümmern. Die Hauptstadt des Dritten Reiches ist nach jahrelangen Bombardierungen und den erbitterten Endkämpfen im April und Mai kaum wiederzuerkennen. Häuserfassaden sind eingestürzt, Straßenzüge versunken in Schutt und Asche – und dennoch rollt hier, mitten durch die zerstörte Stadt, eine U-Bahn.
Dieses außergewöhnliche Foto aus dem Sommer oder Herbst 1945 zeigt eine der frühesten Wiederaufnahmen des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin nach dem Krieg. Im Vordergrund sieht man einen Waggon der Berliner U-Bahn, vermutlich der Linie U2, der sich durch einen freigelegten Tunnelabschnitt bewegt. Links und rechts ragen Ruinen in den Himmel, gestützt durch Holzstreben, die notdürftig Stabilität gewähren sollen. Die Szene wirkt beinahe surreal – als hätte man das pulsierende Leben unter die zerstörte Oberfläche geschoben.
Der Wiederaufbau der Berliner Verkehrsinfrastruktur begann unmittelbar nach der Kapitulation im Mai 1945. Die Alliierten – zunächst vor allem sowjetische Truppen im Osten – setzten große Anstrengungen in Gang, um zumindest die wichtigsten Verkehrsadern wieder in Betrieb zu nehmen. Die U-Bahn spielte dabei eine besondere Rolle: Sie verband zerfallene Stadtteile, ermöglichte den Menschen den Zugang zu Lebensmitteln, Arbeit und medizinischer Hilfe – und sie war ein Symbol des Überlebenswillens.
Die Wiederaufnahme des Betriebs war allerdings kein leichtes Unterfangen. Viele Tunnel waren überflutet, zerstört oder durch eingestürzte Häuser blockiert. Besonders dramatisch war die Flutung des U-Bahn-Tunnels unter der Spree – ein Ereignis, das in den letzten Kriegstagen durch die Sprengung von Schutzwänden oder mutmaßlich gezielte Sabotage ausgelöst wurde. Hunderte Menschen ertranken, als sie in den Tunneln Schutz suchten. Die Entwässerung, Räumung und Instandsetzung dieser Abschnitte war eine monumentale Aufgabe für die Nachkriegsbehörden.
Das Foto verdeutlicht zudem, wie improvisiert vieles in den ersten Monaten nach dem Krieg war. Die Umgebung des Zuges gleicht eher einer Baustelle als einer funktionierenden Infrastruktur. Es fehlen Dächer, Fenster, Stationseinrichtungen – dennoch rollt der Zug, und das allein ist eine kleine Sensation.
Die Menschen, die damals in diesen Wagen stiegen, waren erschöpft, traumatisiert, aber auch entschlossen. Sie hatten Angehörige verloren, Wohnungen eingebüßt, viele litten Hunger und waren krank. Und doch bewegten sie sich durch diese Stadt – oft wortlos, jeder mit seinem eigenen Schicksal beschäftigt. Der tägliche Weg zur Arbeit, zur Verwandtschaft oder zur Lebensmittelkarte wurde zur kleinen Demonstration des Durchhaltevermögens.
Der Verkehrsbetrieb wurde in den Jahren nach dem Krieg Schritt für Schritt ausgebaut. Westliche und östliche Besatzungszonen verfolgten dabei zunehmend eigene Wege, was sich auch auf das U-Bahn-Netz auswirkte. Mit der Teilung der Stadt wurde die U-Bahn schließlich zu einem Symbol des Kalten Krieges – einige Linien fuhren durch sogenannte „Geisterbahnhöfe“, die zwar passiert, aber nicht mehr betreten wurden.
Doch 1945 war von all dem noch nichts absehbar. Die U-Bahn war schlicht ein Lebensnerv. Sie half, die Stadt zu überleben. Und sie verband Menschen in einer Zeit, in der vieles auseinanderbrach.
Das Bild zeigt auch eine Stadt im Übergang. Die Zerstörung ist allgegenwärtig, doch aus ihr erwächst Bewegung, Organisation, Hoffnung. Der Zug im Tunnel mag klein erscheinen angesichts der gewaltigen Ruinen um ihn herum – aber er steht für einen ersten, tastenden Schritt zurück ins Leben.
Heute erinnern Bilder wie dieses daran, wie schnell eine moderne Metropole in Trümmer fallen – und wie bemerkenswert stark ihr Wiederaufbau sein kann. Berlin hat sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg vielfach verändert. Doch die Geschichten aus dem Jahr 1945 – aus dieser Stadt der Schatten, der Brüche, aber auch der Entschlossenheit – bleiben ein fester Bestandteil ihrer Identität.