La Coupole (1943): Geplante deutsche V2-Startbasis in Frankreich – durch Luftangriffe gestoppt, heute ein Lernort.H
Im Norden Frankreichs, unweit der Stadt Saint-Omer, erhebt sich ein monumentales Relikt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs: La Coupole – eine gewaltige unterirdische Bunkeranlage, die im Jahr 1943 von Deutschland errichtet wurde. Geplant als Startbasis für V2-Raketen, sollte sie als Schlüsselpunkt im Raketenkrieg gegen Großbritannien dienen. Heute jedoch dient dieser Ort nicht mehr der Kriegsführung, sondern dem Gedenken und der historischen Aufarbeitung.
Die Bauarbeiten begannen im Sommer 1943 unter strengster Geheimhaltung. Die Anlage wurde tief in den Felsen geschlagen und mit einer massiven, 5 Meter dicken Betonkuppel überdeckt, die noch heute eindrucksvoll erhalten ist. La Coupole war Teil des sogenannten „Wunderwaffen“-Programms, in dessen Rahmen Deutschland versuchte, mit technologisch überlegenen Waffen das Blatt im Krieg zu wenden. Die V2-Rakete, eine der ersten ballistischen Raketen der Welt, sollte als unaufhaltbare Vergeltungswaffe dienen – ein Symbol für die Hoffnung auf eine Wende im Krieg, das letztlich unerfüllt blieb.
In La Coupole sollten die Raketen betankt, aufgestellt und direkt in Richtung London abgefeuert werden. Der Standort war strategisch gewählt: nah genug an der Küste, um britische Städte zu erreichen, aber geschützt durch das felsige Terrain und die unterirdische Bauweise. Die gesamte Anlage war wie eine kleine unterirdische Stadt geplant – mit Tunneln, Lagerräumen, technischen Anlagen und einer Infrastruktur, die für den Dauerbetrieb ausgerichtet war.
Doch die Alliierten blieben nicht untätig. Im Rahmen der Operation Crossbow, einer gezielten Luftoffensive gegen deutsche Raketenstellungen, wurde La Coupole mehrfach massiv bombardiert. Zwar konnte die gewaltige Betonkuppel nicht vollständig zerstört werden, doch die Zugänge und wichtige technische Einrichtungen wurden schwer beschädigt. Aufgrund der fortschreitenden Bombardierung und logistischer Schwierigkeiten wurde das Projekt im Frühjahr 1944 aufgegeben – ohne dass von La Coupole jemals eine Rakete abgefeuert wurde.
Nach dem Krieg geriet die Anlage zunächst in Vergessenheit. Jahrzehntelang blieb sie ungenutzt, still und unheimlich – ein Betonriese in der französischen Landschaft. Erst in den 1990er Jahren wurde begonnen, La Coupole als historischen Ort zu erschließen. Heute beherbergt der Bunker ein modernes Museum, das sich nicht nur der Geschichte der Raketenwaffen, sondern auch den Verbrechen der Zwangsarbeit, der Besatzungszeit und der technischen Entwicklung der Raumfahrt widmet.
Besonders eindrucksvoll ist der Kontrast zwischen der kalten, massiven Architektur und den Ausstellungen, die das menschliche Leid, die wissenschaftlichen Errungenschaften und die moralischen Fragen jener Zeit beleuchten. Besucher erfahren nicht nur, wie die V2 funktionierte, sondern auch, unter welchen menschenverachtenden Bedingungen viele Arbeiter – insbesondere Zwangsarbeiter aus Europa – an der Fertigung und am Bau solcher Anlagen beteiligt waren.
La Coupole ist heute ein Ort der Reflexion. Hier wird nicht nur über Kriegstechnik gesprochen, sondern auch über die Verantwortung, die mit technischem Fortschritt einhergeht. Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs bis hin zur Nutzung der Raketentechnik in der Raumfahrt – ein Kapitel, das ohne die V2 nicht denkbar wäre. Die deutsche Rakete wurde nach Kriegsende von den USA und der Sowjetunion intensiv studiert und diente als Grundlage für spätere Entwicklungen, wie zum Beispiel die Saturn-Raketen der NASA.
So steht La Coupole heute für weit mehr als nur ein Kapitel Militärgeschichte. Es ist ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft sind – ein Denkmal für die Opfer des Krieges und ein Mahnmal für die Zukunft. Wer diesen Ort besucht, wird nicht nur mit der Technik des 20. Jahrhunderts konfrontiert, sondern auch mit den Fragen nach Ethik, Verantwortung und Erinnerungskultur.